Wölfe in der Kulturlandschaft – Erfolg und Herausforderung für den Artenschutz in Deutschland
Seit dem Jahr 2000 kehren Wölfe erfolgreich nach Deutschland zurück. Am Ende des Jahres 2016 leben schon mehr als 60 Rudel bei uns in Deutschland. Ein großer Erfolg für den Artenschutz, der allerdings nicht von allen Teilen der Bevölkerung so gesehen wird. Nutztierhalter und Jäger haben da zum Teil eine ganz andere Meinung und werden von den Medien, die oft nicht objektiv über die Wölfe berichten und Übergriffen auf Nutztiere, die leider – aber sicher unvermeidlich – geschehen, ein Gewicht geben, das ihnen, wenn man Schäden, die durch andere natürliche und oft menschenbedingte Ursachen verursacht sind bedenkt nicht zukäme. In der Folge fühlen sich auch immer wieder Politiker verschiedener Parteien berufen, zu fordern, dass „die ungebremste Vermehrung der Wölfe“ endlich beendet werde, Wölfe wieder ins Jagdrecht überführt und auch „reguliert“ werden sollten.
Vor diesem Hintergrund stellt sich für alle, die sich für Wölfe in Deutschland einsetzen die Frage: Wie kann man hier und heute Wölfe schützen, die in der Kulturlandschaft Deutschlands mit den vielen Menschen zusammenleben müssen?
Direkt brauchen die Wölfe keinen Schutz, denn sie haben bewiesen, dass sie selbst bei uns sehr gut zurechtkommen. Wie schon Aldo Leopold, der Altmeister des Natur- und Artenschutzes gesagt hat geht es in erster Linie darum, mit den Menschen zu arbeiten, das heißt den betroffenen Menschen zu zeigen, wie sie mit dieser „neuen“ Tierart leben können, so dass Vorurteile abgebaut werden und Probleme, die aufgrund der neuen Situation auftreten, wenn möglich gelöst oder zumindest minimiert werden.
Nutztierhaltern, die sich durch teilweise erhebliche Schäden, die sie durch Wölfe haben können, in ihrer Existenz bedroht fühlen, müssen geeignete Schutzmaßnahmen angeboten und durch praktische Hilfe und finanzielle Unterstützung möglich gemacht werden. Neben modernen Mitteln wie speziell entwickelten Elektrozäunen, die hocheffektiv wirksam sind, stehen auch traditionelle Maßnahmen, vor allem Herdenschutzhunde, mit denen sich die Gesellschaft zum Schutz der Wölfe schon seit mehr als 20 Jahren intensiv beschäftigt, zur Auswahl.
Dem Teil der Jägerschaft, der im Wolf nur einen Konkurrenten und Störenfried sieht – sicher nur ein Teil, der sich aber oft lautstark zu Wort meldet – obwohl sie sich als Naturschützer sehen, muss die Wichtigkeit ALLER Lebewesen für eine komplette Natur und insbesondere die Bedeutung des Wolfes für das Ökosystem nahegebracht werden. Bisher vorliegende Untersuchungen haben gezeigt, dass Wölfe weder das Wild ausrotten und die Jagd überflüssig machen, noch die Probleme, die mit zu hohen Wilddichten bestehen lösen.
In den Köpfen der breiten Öffentlichkeit, die eigentlich vom Wolf überhaupt nicht betroffen ist, spuken immer noch irrationale Ängste herum, ausgelöst durch überlieferte Bilder vom Wolf, der Rotkäppchen und andere Kinder gefressen hat und nachts in die Dörfer kommt und Unheil anrichtet. Obwohl in mehr als 15 Jahren „Wolf“ in Deutschland sich nicht ein einziges Mal ein Wolf aggressiv gegen Menschen gezeigt hat, finden sich immer wieder sogenannte Experten, von denen es inzwischen eine Vielzahl gibt, die eine unmittelbar bevorstehende Gefahr für die Bevölkerung durch die Wölfe an die Wand malen. Entsprechende Medienberichte tun ein Übriges. Einige Politiker fühlen sich deshalb berufen, als „Schützer der Kinder“ und „Retter der Weidehaltung“ gegen eine drohende Wolfsgefahr zu Felde ziehen zu müssen und gehen damit auf Stimmenfang.
Um all diese Probleme anzugehen ist sachliche Information über Wölfe nötig, ohne sentimentale Überhöhung und Romantisierung der Tierart, Verständnis für die Probleme der tatsächlich betroffenen Bevölkerungsgruppe der Nutztierhalter und praktische Unterstützung bei der Lösung dieser Probleme.
Dr. Peter Blanché
1. Vorsitzender der Gesellschaft zum Schutz der Wölfe e.V.